Geschichten aus 365-Nächten

Part III: SMS an‘s just

Unseren Aufrufen via social-media-plattformen folgend, erreichten uns etliche Rückmeldungen – die meisten unserer jungen justler*innen antworteten ganz direkt: „Aber ihr kennt doch ohnehin meine ganze Geschichte! Was soll ich dazu noch sagen?!“

Diejenigen die Expert*innen darin sind, wie mensch* auf der Straße und unter schwierigsten Umständen leben und überleben kann, waren plötzlich tatsächlich überfragt: Wo anfangen? Was davon ist denn von Interesse? Wir fanden, dass alles Platz haben sollte! Jeder Aspekt, der unseren Expert*innen erwähnenswert erscheint, ist für uns ein wichtiger!

Ganze Geschichten können und wollen wir auch aufgrund unserer Verpflichtung zur Anonymität und aus Respekt vor der Komplexität und Intimität dieser intensiven Erfahrungen nicht erzählen. In Absprache mit den jungen Menschen, die uns diese Ausschnitte und Einblicke zur Verfügung gestellt haben, dürfen wir aber Facetten davon zeigen, wie es ist, wenn mensch* ohne festes Dach über dem Kopf lebt, welche langanhaltenden Konsequenzen Wohnungslosigkeit haben kann, aber auch, dass das zeitweilige Leben auf der Straße diese jungen Menschen nicht daran gehindert hat, ihren Weg zu gehen…

Eine junge Frau (25), die wir schon einige Jahre begleiten dürfen, formuliert uns diese Zeilen, als ein Sinnbild für ihre Zeit in prekärer Wohnsituation:

Obwohl ich seit Sommer 2017 im Studentenheim durchgehend ein Zimmer hatte und als ich schwanger wurde endlich eine eigene Wohnung bekam, verarbeite ich im Schlaf immer noch den Gedanken: „Wo soll ich hin, wenn ich aus dem Studentenheim muss, weil meine Lehre zu Ende ist.

Sie ist inzwischen seit einigen Jahren in ihrer eigenen Wohnung, kümmert sich liebvoll um ihr Kind und meistert ihr Leben. Noch heute, sagt sie, taucht dieser Stress manchmal in ihr auf, dieses Gefühl, nicht angekommen zu sein, wieder weiter ziehen zu müssen.

Im Kleiderfundus bietet das just kostenfrei Hosen, Shirts, Jacken und Schuhe für junge Menschen an. All das können wir weitergeben, weil wir regelmäßig von Privatpersonen Kleidungsspenden erhalten. Ein junger justler, inzwischen Familienvater, schrieb uns über seine schwierigste Zeit:

Im just-Kleiderfundus war ich oft, einfach weil ich nicht ausschauen wollte, als wäre ich obdachlos… obwohl ich zu der Zeit oft draußen schlafen musste.“

Über Wohnungslosigkeit redet mensch* nicht gern – wer es ist, versucht es oft so lange wie möglich zu verstecken.

Viele unserer jungen Menschen sagen im ersten Anflug, dass sie ja nie wirklich „auf der Straße“ waren. Wenn sie beschreiben, wie sie ihre Nächte und die Tage zugebracht haben, wird dennoch klar, wie mühsam Wohnungslosigkeit sein kann. Eine junge Frau schrieb uns dazu folgendes:

War nie so wirklich auf der straße, hab immer fast immer jemanden gehabt, der mich aufgenommen hat bzw. wenn nicht, dann ja war ich die ganze nacht am hbf und am nächsten tag, wo ich nüchtern war, hab ich mich wo aufs ohr hauen können, wenn möglich, sonst wieder zu gemacht und den ganzen tag gesucht und gedacht: wo kann ich heute hin? finde ich eine person, bei der ich mich waschen kann und ein paar stunden schlaf sammeln kann?

Manchmal bleibt auch nur übrig, sich durch zu schlagen, sich die Nächte „um die Ohren zu haun“, sich „zu zu machen“, um kurz mal ein wenig Ruhe zu finden, um weiter zu machen. Eine anstrengende Reise…