#365nächte

*ohnedachinlinz

Hey! Kümmern sich Streetworker*innen nicht eigentlich um Jugendliche, die auf der Straße leben?

Aber gibt‘s in Linz überhaupt junge Menschen, die OBDACHLOS sind?!

Damit wir wissen, dass wir vom Selben reden, schauen wir uns mal ein paar just-Erfahrungen und die Theorie dazu genauer an…

Obdachlos oder wohnungslos – welchen Unterschied macht‘s?!

Grundsätzlich werden die Begriffe häufig synonym verwendet – der tatsächliche Unterschied: Wohnungslose Menschen sind ohne EIGENE WOHNUNG, also ohne Mietvertrag, nicht aber ohne Dach über dem Kopf. Sie leben vorübergehend bei Freund*innen/Beka      nnten oder in Einrichtungen bzw. Wohnungen der Wohnungslosenhilfe. Die Definition der BAWO (Bundearbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) erstreckt sich auch auf Frauen und Kinder, die kurz- bis mittelfristig in Frauenhäusern und/oder Krisenunterkünften leben. Als wohnungslos gelten auch Immigrant*innen und Asylwerber*innen, die in Auffangstellen, Lagern, Heimen oder Herbergen wohnen, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist.

Menschen, die ohne festes Dach über´m Kopf sind, die „auf der Straße“ schlafen, die überwiegend im öffentlichen Raum, in Parks, unter Brücken, an Bushaltestellen usw. nächtigen, bezeichnen wir als obdachlos. Manche von ihnen docken auch an institutionelle Angebote an und übernachten in Notschlafstellen – in Linz sind das für Jugendliche das „Ufo“ oder die „NOWA“ für Erwachsene.

…und die jungen Menschen rund um‘s just?

Viele junge Menschen, die wir im just kennenlernen, sind ohne eigenen festen Wohnsitz, also wohnungslos. Grundsätzlich wäre das recht natürlich, weil wir ja mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun haben, die oft tatsächlich erst vor der ersten Hausstandsgründung stehen – also noch nie in einer eigenen Wohnung gelebt haben, sondern quasi alters- oder entwicklungsadäquat noch im Status des Mitwohnens stehen. Manche der jungen Erwachsenen (ü18) waren oder sind bereits in einer eigenen Wohnung mit Mietvertrag, teilweise sind sie auch in WG‘s organisiert oder leben bei anderen zur Untermiete. Ein Teil unserer jungen Menschen wohnt auch in Einrichtungen, wo sie entweder vorübergehend wohnen können oder schon länger unterstützt und begleitet werden. Einige wenige sind schon Monate oder Jahre ohne festen Wohnplatz und wohnen tatsächlich „draußen“ – sie suchen nachts Unterschlupf in Parks, unter Vordächern, Haltestellen, in leerstehenden Gebäuden. Manchen mag mensch* es ansehen, bei vielen von unseren Justler*innen würde mensch* das nicht am ersten Blick vermuten.

Wie wird mensch* die Wohnung los?

Menschen, jung wie alt, wünschen sich Sicherheit im Leben. Dazu gehören auch die vier Wände, wo mensch* Ruhe und Erholung finden und sich aus dieser sicheren Basis heraus entwickeln kann. Die jungen Menschen, die wir im just kennen lernen, leben oft schon sehr lange ohne ein sicheres Zuhause. Zumeist haben diese jungen Erwachsenen bis wir sie kennen lernen, schon sehr viel erlebt und erlitten. Einige von ihnen wohnten nie bei ihrer Herkunftsfamilie oder waren zumindest zeitweise fremd untergebracht. Viele stammen aus defizitären Familiensystemen, sie erlebten Gewalt, wurden vernachlässigt, oder haben aktuell Konflikte daheim. Manche leben in Betreuungseinrichtungen, wo sie sich wenig auf Bezugspersonen einlassen können. Sie konnten schon im Kindesalter wenig auf Rückhalt und Unterstützung vertrauen, hatten viele Wohnungswechsel/ Schulwechsel und damit einhergehend wechselnde Freundeskreise. „Familie“ suchten sie sich notgedrungen lieber selbst in der peergroup oder auf der Straße.

Vielleicht hielten sie dem Druck zu Hause nicht (mehr) stand, sie konnten Anforderungen für ihr „Bleiberecht“ zu H ause oder in der Wohneinrichtung nicht erfüllen, sie hielten sich nicht an Abmachungen, konnten nichts zum Haushaltseinkommen beitragen, gingen keiner Ausbildung nach und/oder rutschten in Suchtverhalten und Abhängigkeiten. Sie werden als junge Erwachsene aus der elterlichen Wohnung „geworfen“ oder verlassen ihr Zuhause, um frei und ungebunden zu sein. Sie tauschen Sicherheit, die sie nie spürten, gegen Freiheit, die sie nie kannten.

Der 18. Geburtstag verspricht Freiheit und Selbstbestimmung!

Mit dem 18. Geburtstag wählen junge Erwachsene also den Weg der Freiheit – endlich können sie rechtlich selbst bestimmen. Während diese jungen Menschen in der ersten Zeit oftmals noch ganz leicht bei Verwandten, Bekannten und Freund*innen unterkommen können, werden diese Mitwohnmöglichkeiten bald immer weniger. Nachdem auch das Einkommen fehlt, bleibt den jungen Erwachsenen nur das „Durch-Schnorren“, das irgendwann bei allen Beteiligten auf Unmut stößt. Bald schon werden die Übernachtungsbetten immer seltener, gelegentlich werden die Nächte durchgefeiert, um nicht draußen schlafen zu müssen. In einsamen oder regnerischen Nächten fährt mensch* Ringer‘l mit der Bim…

Summer of love…

Dem ersten Sommer im Rausch der Freiheit und im Partymodus folgt ein abkühlender Herbst und ein richtig kalter Winter. Immer mehr rückt die fehlende Basis der eigenen vier Wände wieder in den Fokus – das Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe meldet sich wieder. Zumeist haben sich zu diesem Zeitpunkt einige Dinge schlechter entwickelt als ursprünglich geplant: es gibt immer noch kein Einkommen bzw. das wenige, das zuvor da war, ist inzwischen auch weg, die Schulden bei Freund*innen sind unangenehm hoch geworden, Strafen flattern hier und dort herein – vielleicht stehen auch Haftstrafen an. Zu den zuvor gegeben Problemen haben sich also neue dazu gesellt: psychische Belastungen und Grunderkrankungen zeigen neue Facetten, zu legalen Süchten sind illegale hinzu gekommen, Abhängigkeiten von Substanzen aber auch Personen haben sich unglücklich entwickelt.

…und was ist ohne Wohnung los?

Wer wohnungslos oder gar obdachlos ist, lebt ein mitunter gefährliches Leben voller Unsicherheit, Mangel, Gewalt, Kälte und erlebt jede Menge Ablehnung und Diskriminierung. Die fehlende Intims- und Privatsphäre, die für jeden Menschen so wichtig ist, zeichnet wohnungslose Menschen. Ohne Rückzug sind sie zunehmend gestresst, verunsichert und fühlen sich ausgeliefert.

Viele Menschen auf der Straße erleben sich als „gescheitert“. Aus einer Position des Gescheitert-Seins bzw. des vermeintlichen „Looser-Status“ heraus, scheinen alle anstehenden Aufgaben fast unlösbar. Einkommen und Wohnung aufstellen, wird mit jedem Monat schwieriger. Es ist eine Abwärtsspirale, die soziale, psychische und körperliche Folgen nach sich zieht: Verwahrlosung, Frustration, Drogenmissbrauch, medizinische Defizite, Stigmatisierung, psychische Erkrankung…

…und wenn‘s nicht mehr geht?

Wenn sich nun diese junge Menschen, die schon vor Monaten, vielleicht vor Jahren entschieden haben, selbstständig das Leben zu meistern, nicht um Unterstützung und Hilfe zu bitten, Menschen, die gelernt haben, auf der Hut zu sein und nur sich selber zu vertrauen, die sich von Bezugspersonen verraten und verkauft fühlen, bei uns im just anklopfen trauen… dann geht es darum, niederschwellig, rasch und unkompliziert Hilfe anbieten zu können.

Wie unterstützt just wohnungslose Menschen?

Ankommen können ohne verurteilt zu werden, ist eines unserer wichtigsten ersten Angebote. Nachdem wir eine Anlaufstelle sind, die ganz ohne Vorleistung besucht werden kann, treffen sich bei uns viele Besucher*innen, die in ähnlich angespannten Situationen stecken. Im just findet sich immer ein Häferl Kaffee oder Tee, eine Kleinigkeit zu essen und offene Ohren für alle Anliegen – auch die, die wir nur zwischen den Zeilen herauslesen können. Außerdem:

  • Im Kleiderfundus finden sich kostenfrei frische Kleider, Socken, Unterwäsche.

  • Schmutzige Kleidung kann bei uns gewaschen werden und nach dem Trockner gleich wieder mitgenommen werden.

  • Durchgefrorene können bei uns warm duschen, gegebenenfalls auch baden.

  • Zahnbürsten und andere Hygieneartikel haben wir vorrätig.

  • Internet und Telefon können bei uns genutzt werden.

  • Wir informieren über kurzfristige Übernachtungsmöglichkeiten, begleiten gerne auch in die Jugendnotschlafstelle Ufo oder in die NOWA.

  • Während das Ufo kostenfrei für junge Menschen ist, zahlt mensch* in der NOWA 4€/Nacht. Wir geben dafür Übernachtungs-Markerl aus.

  • Für alle, die geschlossene Räume und Einrichtungen lieber meiden (ja, das gibt‘s und hat zumeist tiefliegende psychische Ursachen) bieten wir Schlafsäcke und Isomatten an.

  • Besonders im Winter sind dabei auch ganz dicke Schlafsäcke, Decken oder auch warme Hosen und Jacken gefragt.

Auch in Linz gibt es 365 Tage im Jahr junge Menschen, die nachts nicht wissen, wo sie bleiben können. Just Jugendstreetwork ist zumindest einige Tage in der Woche Anlaufstelle für genau diese jungen Menschen – wir teilen, was wir haben: Wissen, Lebensmittel, Kleidung, Zahnbürsten, Strom und Ladegeräte, Übernachtungsmarkerl und Schlafsäcke! Komm in der Lederergasse vorbei!