Geschichten aus 365-Nächten

Part II: Lebensgeschichten in Bruchstücken

Was interessiert uns am allermeisten zum Thema Wohnungslosigkeit? Natürlich! Die Lebensgeschichten, die dahinter stecken! Wie kam es dazu, wie lebt es sich so ohne Dach über‘m Kopf? Wer ist das, woher kam sie, wohin geht er? Ganz einfach ist das nicht zu beantworten…

Wohnungslosigkeit ist ein Thema, das viel Scham mitbringt, das oft tabuisiert, verschwiegen, verdrängt wird. Wenn wir bei uns bleiben: Wollen wir denn immer hinsehen, wenn jemand ganz offensichtlich ohne festen Wohnplatz ist? Wollen wir wirklich wissen, wie es Menschen ergeht, die „auf der Straße“ leben? Welche Erfahrungen sie haben, auch wenn diese tragisch, hart, traurig sind?

Gemeinsam mit unseren jungen Menschen haben wir beschlossen, ein bisschen Licht in diese Schatten zu bringen. Unsere justler*innen sind Expert*innen, was das Leben auf der Straße betrifft… Fast alle, die irgendwann mal im just „angedockt“ sind, kennen Facetten von Wohnungslosigkeit, von prekärem (Mit)Wohnen, vom draußen schlafen.

Unsere Expert*innen erzählen Geschichten aus 365-Nächten auf der Straße. Es sind manchmal „abgebrühte“ Aussagen oder auch witzige Sager, aber dahinter steckt immer ganz viel Emotion, manchmal Scham, oft Angst, viele Grenzerfahrungen mit ganz viel Schmerz, aber auch richtig große Lebensfreude! Wir kennen nie die Gesamtheit der Geschichte, nur den Teil, den wir erfahren und begleiten dürfen. Daher erzählen wir diese Geschichten, die das Leben schrieb, auch immer nur in Fragmenten, anonymisiert und wo es konkreter wird natürlich nur nach Absprache mit unseren jungen Menschen! Es sind immer nur Ausschnitte, die wir zur Verfügung gestellt bekommen… die Geschichten sind noch nicht zu Ende geschrieben!

1* Endlich ein Zimmer…

Wir begleiten Alex*21 schon einige Jahre. Er kam zu uns, als er aus einer betreuten Wohneinrichtung flüchtete, wo er einiges „ausgefressen“ hatte, jedenfalls nicht mehr hin wollte. Er suchte die Nähe zu seiner Familie in Linz und hoffte hier beim Vater wieder unterkommen zu können. Leider gab es dort keinen Platz – enge Wohnverhältnisse, jüngere Geschwister, Stiefmutter. Alex wusste nicht recht, wo er hin sollte. Die WG nannte er „am Arsch der Welt“ – dort hatte er weder Anschluss, noch Sicherheit gefunden – die an ihn gestellten Aufgaben konnte er nicht bewältigen. Die Sehnsucht nach Freund*innen und Familie war zu groß.

Nach einigen Nächten bei der neuen Freundin, wurde deutlich, dass der Start für diese Beziehung in guter Absicht, aber unter denkbar schlechten Sternen stand. Alex trieb sich am Hauptbahnhof herum, wo er versuchte, sich bei Bekannten „durch zu schnorren“. Perspektivlosigkeit und Überforderung – von der Hand in den Mund leben, tagtäglicher Kampf um‘s Überleben. Schon davor hatte er gekifft, gelegentlich auch „etwas anderes“ probiert – und bemerkt, dass ihm das beim Abschalten half. Er traf sich häufiger mit Menschen, die mehr und mehr konsumierten.

Damals landete er gut im Ufo. Danach konnte er immer wieder in verschiedenen Wohnformen unterkommen: entweder wieder bei Bekannten, aber auch in betreuten WGs außerhalb von Linz. Immer wieder zog es ihn zurück. Heute hat er endlich ein Zimmer… nach vielen Monaten, in denen er in der NOWA geschlafen hatte, jeden Morgen früh um 7.30 Uhr raus und sich irgendwie den Tag vertreiben musste, kann er heute einfach mal liegen bleiben, ausschlafen. Zufrieden erzählt er uns, dass er sich einfach mit Chips und Cola eindecken und mal ein ganzes Wochenende einfach „daheim“ bleiben will. Chillen. Einfach nur die vier Wände genießen.

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