Wie die Zeit vergeht …

Leider habe ich bereits die Hälfte meines Langzeitpraktikums hinter mir. Es fühlt sich für mich an, als wäre ich eine Ewigkeit bei Jugendstreetwork Just. Wenn ich die letzten sechs Wochen Revue passieren lasse, erinnere ich mich intensiv an die ersten Tage, die ersten Kontakte mit den Jugendlichen und vor allem an meine ersten Male auf Szenepräsenz.

Langzeitpraktikum #praktikumjust

Vor meinem ersten Praktikumstag war ich sehr nervös. Ich hatte einige Bedenken, die mir vor dem Praktikumsantritt durch den Kopf schwebten. Ich war mir nicht sicher, wie die jungen Erwachsenen auf mich reagieren werden. Wie werde ich aufgenommen? Wird mein Alter ein Nachteil in der Beziehungsarbeit mit den Jugendlichen sein? Dieses Gefühl verflog jedoch schnell, da die jungen Menschen und vor allem das Team mir das Gefühl gaben, ein Teil von Just zu sein. Ich hatte schon Praktika in diversen anderen Einrichtungen absolviert, doch die Erfahrung, die ich bei Just momentan erleben darf, ist ganz anders. Der niederschwellige Bereich und der akzeptanzorientierte Ansatz, der hier gelebt wird, macht das Praktikum so besonders. Der Mensch wird hier als ganzheitlich gesehen und es werden Themen bearbeitet, welche aus seiner/ihrer Sicht relevant sind. Die verschiedenen Methoden, komplexe Inhalte, die man an der FH gelehrt bekommt, werden hier sichtbar eingesetzt. Bei der sogenannten Anlaufstelle finden die Jugendlichen mehrere Angebote: Grundversorgung, Beratungsgespräche, Begleitung/Weitervermittlung. Aber auch die Möglichkeit, Tischfußball zu spielen, oder auf der Couch zu chillen – jetzt im Sommer wird außerdem die Terrasse als zweites Wohnzimmer genutzt.

Gemeinsam kochen! #justamenu

Die Tage im Just sind sehr abwechslungsreich, jeden Donnerstag gibt es ein gemeinsames Frühstück in der Anlaufstelle und jeden Freitag haben die Jugendlichen die Möglichkeit, gemeinsam mit uns zu kochen – das sogenannte just-a-menu ;). Meine Kochkünste à la Jamie Oliver werden dem Team noch lange nach meiner Praktikumszeit in Erinnerung bleiben.

Die Besucher*innen können entscheiden, was an diesem Tag gekocht wird. Gemeinsames Einkaufen steht am Programm. Bei der Zubereitung der Speisen, herrscht eine lockere Atmosphäre, die zu Gesprächen mit verschiedenen Inhalten animiert. Mit diesem Projekt werden einige wesentliche Bedürfnisse befriedigt. Einerseits die Grundversorgung, andererseits das Gefühl der Nähe und der Zusammengehörigkeit, wie es ein Familiensystem haben kann. Gemeinsames Lachen, Zuhören und Schweigen charakterisieren diese wöchentlichen Zusammenkünfte. Ja, man fühlt sich teilweise wie zu Hause.

Raus in die Szene! #szenepräsenz

Ein wesentliches Kriterium, welches das Praktikum für mich auszeichnet, ist die Szenepräsenz.Dadurch habe ich die Möglichkeit, in die Lebenswelt der Jugendlichen einzutauchen. Mit dem auffallenden gelbblauen Streetwork-Rucksack sind wir „Justler*innen“ in der Szene unterwegs. Ob am Bahnhof, oder im Volksgarten, die Streetworker*innen sind in der Szene bekannt und werden von Jugendlichen oft schon aus der Ferne begrüßt. Einer der Vorteile der Szenepräsenz ist die Möglichkeit, Situationen aus einem anderen Blickwinkel zu beobachten. Als „Gast“ betrete ich den Lebensraum der jungen Menschen und verhalte mich auch dementsprechend. Die Lebensgeschichten der jungen Erwachsene sind oft heftig, aufwühlend und machen nachdenklich. Diese Erfahrungen benötigen professionelle Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen. Durch Supervisionen, die ich in der FH erhalte und durch Gespräche im Team, ist es mir bis jetzt teilweise gelungen, mich mit diesem Neuland auseinanderzusetzen. Ich bin für die Erfahrungen, die manchmal nicht so angenehm sind, auch dankbar – denn diese helfen mir, mich weiterzuentwickeln. Rückblickend ist mir mein erster Tag auf Szenepräsenz noch lebhaft in Erinnerung. Es war am späten Nachmittag im Volksgarten, der ein beliebter Aufenthaltsort für Jugendliche ist. Plötzlich kam es zur polizeilichen Ausweiskontrolle, die von zwei Polizisten durchgeführt wurde. Als ein Polizist auch meinen Ausweis sehen wollte, herrschte kurz Stille. Mit einem Lachen löste sich die Situation auf: der Uniformierte war ein Fußballfreund von mir. Die Reaktion der Jugendlichen: „Der hat einen Kiwara als Freund?“ Meine Reaktion: „Gelungener Einstieg in das Praktikum!“.

Noch ein paar Wochen liegen vor mir, das Ende des Praktikums ist absehbar und wie sagt Oscar Wilde: „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“